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Fassadenbegrünung

Fassadenbegrünung: Das Gartenbau.org Experteninterview

Simone Blaß
Verfasst von Simone Blaß
Zuletzt aktualisiert: 21. August 2025
Lesedauer: 14 Minuten
© Spitzt-Foto / istockphoto.com

Eine begrünte Fassade ist nicht nur ein optischer Blickfang, sondern ein zukünftig nicht zu unterschätzender Baustein im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels. Ein interdisziplinäres Team der Universität Stuttgart aus den Bereichen Bauphysik und Ökologie hat untersucht, wie vertikale Begrünung Städte widerstandsfähiger, kühler und artenreicher machen kann. In Zusammenarbeit mit dem Praxispartner Helix Pflanzensysteme GmbH, unterstützt vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik und gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie den Klimainnovationsfonds der Stadt Stuttgart, erforschen die Wissenschaftler die Vision einer Stadt, die auf Artenreichtum und Biodiversität setzt. Melina Wochner vom Institut für Akustik und Bauphysik der Universität Stuttgart hat sich mit Gartenbau.org über ihre Erfahrungen bei dem Projekt unterhalten. Und darüber, wie sich die Ergebnisse auch im privaten Bereich umsetzen lassen.


Profilbild der Gartenbau.org Fassadenbegrünungs-Expertin Melina Wochner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Akustik und Bauphysik (IABP) der Universität Stuttgart.

ÜBER UNSERE EXPERTIN

Melina Wochner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Akustik und Bauphysik (IABP) der Universität Stuttgart. Im Bereich „Umweltgerechtes Bauen für Menschen, Flora und Fauna“ verbindet sie Forschung mit aktivem Wissenstransfer in die Praxis und Lehre. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und gezielten Umsetzung nachhaltiger, biodiversitätsfördernder Bauweisen wie innovativen Systemen zur Gebäudebegrünung.

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Sie haben in Ihrem Projekt sowohl mit bodengebundenen als auch mit wandgebundenen Begrünungssystemen gearbeitet. Wo liegen denn die wichtigsten Unterschiede dieser beiden Ansätze?

Beide Systeme haben ihre Berechtigung und eignen sich für unterschiedliche Anwendungsbereiche. Wandgebundene Systeme erlauben es, auf sehr kleiner Fläche eine große Pflanzenvielfalt zu realisieren, zum Beispiel blühende Stauden, Kräuter oder Gräser. Sie bieten ein hohes Pflanzenvolumen und lassen sich gestalterisch sehr vielseitig nutzen. Gleichzeitig sind sie technisch anspruchsvoller: Sie benötigen eine stabile Unterkonstruktion, integrierte Module, automatische Bewässerung sowie entsprechende Leitungsführungen und Steuerungstechnik. Ein Vorteil wandgebundener Systeme ist, dass sie auch im Winter nicht vollständig kahl sind. Immergrüne Arten, die ins System eingebaut werden, sorgen für eine gewisse Grundstruktur, wobei viele andere Pflanzen, wie in der Natur auch, in dieser Zeit zurückgehen oder vertrocknet wirken.

Bodengebundene Systeme oder Pflanzkübelanlagen sind deutlich einfacher aufgebaut und nicht so kostenintensiv. Auch sie verfügen meist über ein Bewässerungssystem, sind aber insbesondere dort geeignet, wo das Budget begrenzter ist oder weniger technische Infrastruktur benötigt wird. Ein Nachteil der bodengebundenen Systeme ist die eingeschränkte Pflanzenauswahl, da hier eigentlich nur kletternde Pflanzen infrage kommen. Trotzdem kann auch hier eine hohe Artenvielfalt integriert werden, vor allem durch das gezielte Einsetzen von Stauden als Unterpflanzung. In unserem Projekt beispielsweise wurden Tröge über zwei Geschossebenen hinweg installiert. Das ist ein Ansatz, der sich in der Praxis bewährt hat, zum Beispiel bei Parkhausbegrünungen. Die Lasten sind hier unkritisch, die Systeme gut belüftet und das Ergebnis ist optisch sehr ansprechend. Allgemein kann man sagen: Vertikale Flächen lassen sich sowohl ganzjährig grün gestalten, als auch sehr vielfältig und abwechslungsreich, sodass sie sich im Lauf der Jahreszeiten eindrucksvoll ändern.



Wie ist das wandgebundene System in Ihrem Projekt technisch aufgebaut?

Das wandgebundene System besteht aus mehreren Schichten. Die Grundlage ist eine Stahl-Unterkonstruktion, auf die Holzfaserzementplatten aufgeschraubt werden. Auf die Trägerplatte kommt dann ein Drainagevlies, das dafür sorgt, dass ein Zuviel an Wasser abgeleitet wird. Dann werden Schienen montiert, auf denen zum einen die Module befestigt werden und zum anderen das Bewässerungssystem angebracht wird. Die Pflanzmodule sind zum Beispiel mit Steinwolle versehen, weil diese das Wasser gut speichern kann. Im Optimalfall werden die Pflanzen mit Regenwasser bewässert, das in einem Tank gesammelt und bei Bedarf mit Düngemittel angereichert wird. Der Aufbau variiert aber natürlich je nach baulichen Gegebenheiten, also zum Beispiel nach Tragfähigkeit, Feuchteschutz oder Dämmung. Es gibt verschiedene Systemtypen, die individuell angepasst werden können.

Welche positiven Effekte von Fassadenbegrünungen sind wissenschaftlich belegt? Und wirkt sich das auch auf das Gebäudeinnere aus?

Begrünte Fassaden bringen nachweislich eine Vielzahl an Vorteilen. Neben der Förderung der Biodiversität tragen sie zur Verbesserung des Mikroklimas bei, wirken schalldämmend, können Vandalismus vorbeugen und steigern das gesundheitliche Wohlbefinden im städtischen Raum, in dem es gerade im Sommer häufig zum sogenannten “städtischen Wärmeinseleffekt“ kommt.

Was ist der städtische Wärmeinseleffekt?
Der städtische Wärmeinseleffekt bezeichnet den Temperaturanstieg in Städten im Vergleich zu ihrem ländlichen Umland. Ursache sind vor allem wärmespeichernde Baumaterialien wie Beton, hohe Flächenversiegelung und dunkle Oberflächen wie Asphalt, die sich stark aufheizen. Zusätzlich tragen Abwärme aus Verkehr, Energieerzeugung und Gebäudebetrieb zur Erwärmung bei. Dadurch sind die Lufttemperaturen in Städten oft mehrere Grad höher als außerhalb bebauter Gebiete.

Auch im Gebäudeinneren kann sich das bemerkbar machen: Die Verschattung durch das Grün senkt die Oberflächentemperaturen der Fassade, gleichzeitig sorgen die Verdunstungsprozesse der Pflanzen für zusätzliche Kühlung, was auch den Kühlbedarf des Gebäudes reduzieren kann. Wie stark dieser Effekt ausfällt, hängt jedoch vom jeweiligen System, vom Abstand zur Fassade und von der Gebäudeart ab. Bei modernen, gut gedämmten Neubauten ist der Einfluss womöglich geringer als bei ungedämmten Altbauten. Aber auch an Glasfassaden ist der positive Effekt der Begrünung gut sichtbar. Im Sommer spenden die Pflanzen natürlichen Schatten und reduzieren so die Wärmebelastung, während sie im Winter – nach dem Laubfall – Sonnenlicht durchlassen. Das sorgt für eine effektive, jahreszeitlich angepasste Klimasteuerung.

Welche Rolle spielt die Vorkultivierung der Pflanzen?

Eine sehr große. Wir haben in unserem Projekt mit einer Firma zusammengearbeitet, die seit vielen Jahren mit wandgebundener Fassadenbegrünung arbeitet. Dort hat sich gezeigt, dass die Qualität der Begrünung deutlich steigt, wenn die Module im Gewächshaus vorkultiviert werden. Die Pflanzen haben so die Möglichkeit, sich bereits vor dem Einbau gut zu verwurzeln. Dadurch sitzen sie stabil in den Modulen, selbst wenn diese bei der Montage von der Horizontalen in die Vertikale gekippt werden. Ein weiterer Vorteil: Sobald die Fassade installiert ist, ist sie auch schon grün. Nach nur wenigen Wochen sind die dahinterliegenden Strukturen kaum noch sichtbar. Die positiven Effekte – wie Kühlung, gesteigerte Aufenthaltsqualität oder Förderung der Biodiversität – setzen also sehr schnell ein. Das ist ein klarer Vorteil gegenüber bodengebundenen Begrünungen, bei denen es natürlich länger dauert, bis die Wand wirklich grün ist.

Wie viele Pflanzen braucht man denn für einen Quadratmeter Fassade?

Ein einzelnes Modul misst 60 x 40 Zentimeter und ist mit 16 Pflanzen bestückt. Dadurch entsteht auf kleinem Raum eine bemerkenswerte Pflanzendichte. Entscheidend für das Gelingen ist jedoch ein durchdachtes Pflanzkonzept, das Arten gezielt gruppiert und gestalterisch sinnvoll strukturiert. Verwendet werden ausschließlich mehrjährige Pflanzen, die sich für den vertikalen Einsatz eignen. Tiefwurzelnde Arten sind hier weniger geeignet, da der begrenzte Substratraum ihre Entwicklung einschränkt. Bei Kübelsystemen ist es zudem wichtig, den erforderlichen Wurzelraum sorgfältig zu bemessen.


Mit Pflanzen überzogene Hausfassade.

Fassadenbegrünung Ratgeber

Von der Pflanzenwahl bis zum Systemaufbau: So gelingt die fachgerechte Begrünung von Fassaden.

©Sebastian Grote / stock.adobe.com


Bei den “Wilden Klimawänden” stand das Thema Biodiversität im Vordergrund. Mit welchen Pflanzen haben Sie hier konkret gearbeitet?

Unser Ziel war es, Grünfassaden nicht nur als gestalterisches Element zu begreifen, sondern als funktionale Lebensräume für Tiere. Dabei haben wir uns gezielt an den Bedürfnissen von Wildbienen, Vögeln und Fledermäusen orientiert. Unsere Kolleginnen vom Institut für Landschaftsplanung und Ökologie haben zusammen mit unserem Praxispartner Helix Pflanzensysteme für die 120 Quadratmeter große Fassadenfläche rund 70 unterschiedliche Pflanzenarten ausgewählt, darunter viele einheimische Arten, die einen hohen Nektar- und Pollengehalt haben und eine lange Blühperiode abdecken, beerentragende Sträucher sowie Arten mit markanten Samenständen, um Nahrung und Strukturvielfalt über das ganze Jahr hinweg zu bieten. Als Ergänzung haben wir gezielt solche Pflanzen ausgewählt, die in den Abend- oder Nachtstunden blühen, weil sie nachtaktive Insekten anlocken und die wiederum eine wichtige Nahrungsquelle für Fledermäuse darstellen.


Rote Weinranken um einen Hauseingang herum

Fassadenbegrünung Pflanzen

Standortgerecht, pflegeleicht und dauerhaft: Worauf es bei der Pflanzenauswahl für grüne Fassaden ankommt.

©Harlekin-Graphics – stock.adobe.com


Spielt Hitzetoleranz auch eine Rolle bei der Auswahl der Pflanzen?

Die Pflanzenauswahl erfolgte mit Blick auf zwei zentrale Ziele: ökologische Wirksamkeit und mikroklimatische Effekte. Arten mit hoher Verdunstungsleistung und großen Blattflächen tragen durch die Abgabe von Verdunstungskälte aktiv zur Kühlung des Umfelds bei. Generell muss bei Pflanzungen natürlich berücksichtigt werden, wie viel Wasser zur Verfügung steht, vor allem an heißen, trockenen Standorten. Hitzetolerante Pflanzen sind in der Regel sparsamer im Wasserverbrauch, leisten jedoch weniger Beitrag zur Kühlung. Daher richtet sich die Auswahl stark nach den konkreten Standortbedingungen und der Zielsetzung, z.B.: Ist eine Bewässerung – idealerweise mit Regenwasser – vorhanden? Soll die Begrünung vor allem ökologisch wertvoll, klimatisch wirksam oder pflegeleicht und hitzeresilient sein? Solche Fragen sind entscheidend, um die passende Bepflanzung für das jeweilige Projekt zu finden.

Welche konkreten Maßnahmen wurden bei der Planung und Umsetzung der Fassadenbegrünung getroffen, um tierische Arten gezielt zu integrieren und zu unterstützen?

Noch während der Bauphase konnten bereits erste Wildbienen an der Begrünung beobachtet werden, was ein schönes Zeichen dafür ist, wie schnell solche Strukturen angenommen werden. Um die Tierwelt zu unterstützen, wurden spezielle Habitatmodule in die Fassadenbegrünung integriert. Sie entsprechen in Form und Größe den Pflanzmodulen und lassen sich optisch nahtlos einfügen. Es gibt Module mit Niströhren aus Schilf für Wildbienen, Totholzelemente für Hornissen, Lehm-Sand-Gemische für bodennistende Insekten sowie Nistkästen. Im oberen Bereich der Ostfassade haben wir auch Nistkästen für Vögel und Fledermäuse integriert. Besonders bemerkenswert war, dass bereits im ersten Jahr ein Amselpaar in der Grünfassade gebrütet hat und sich auch schon ein Hornissenvolk in einem der Nistkästen angesiedelt hat.



Insekten sind äußerst wichtig fürs Ökosystem. Aber trotzdem ist für viele der Gedanke, dass es an der Hauswand krabbelt oder eine Hornisse sich ins Zimmer verirren könnte, nicht besonders angenehm …

Wir konnten gerade bei diesem Hornissenvolk sehr schön beobachten, dass es keine Probleme mit den Leuten gab, die im Gebäude gearbeitet haben. Die Tiere sind sehr friedlich, solange sie nicht gestört werden, stören sie uns auch nicht. Zudem können Insektengitter an den Fenstern ja dafür sorgen, dass die Tiere nicht aus Versehen ins Innere gelangen, zum Beispiel, weil sie sich vom Licht angezogen fühlen. Wir konnten außerdem durch Befragungen feststellen, dass Menschen, die unsere Fassade besucht haben und über die Hintergründe informiert wurden, eine größere Akzeptanz gegenüber vermeintlich “unliebsamen” Tierarten hatten, als Personen, die unabhängig davon befragt wurden.

Collage mit Wildbienen Nisthilfe Blüten und verschiedenen Insekten bei einer Fassadenbegrünung.
© IABP Universität Stuttgart

Es gibt auch immer wieder Bedenken, dass eine Fassadenbegrünung der Gebäudesubstanz schadet. Wie bewerten Sie das?

Fachexpertise und eine gute Planung sind unerlässlich und eine sorgfältige Ausführung ist entscheidend. Wenn eine Wandbegrünung aber professionell geplant und umgesetzt wird, besteht für die Gebäudesubstanz keine Gefahr. Die wandgebundenen Systeme enthalten wasserundurchlässige Schichten und sind hinterlüftet, vergleichbar mit vorgehängten Fassaden. Langfristig ist natürlich auch eine regelmäßige Pflege erforderlich, um Schäden zu vermeiden.



Wenn ich mit einem Kübel- oder Bodensystem arbeite, dann ist ein immergrüner Selbstklimmer wie der Efeu eine Möglichkeit, die Fassade dauerhaft zu begrünen. Worauf muss ich hier achten?

Efeu ist eine wertvolle einheimische Pflanze, die sowohl Blüten als auch Beeren hervorbringt und damit einen hohen ökologischen Nutzen bietet. Und solange die Fassade intakt ist und keine Risse aufweist, gibt es auch kein Problem mit eindringender Feuchtigkeit, im Gegenteil, die Pflanzen wirken immer wie eine Pufferschicht. Problematisch ist beim Efeu und manchen Arten jedoch die Klettertechnik: Sie haften direkt am Putz, können dadurch Schäden verursachen und mit der Zeit so schwer werden, dass sie mitsamt dem Putz herabfallen. Eine Entfernung hinterlässt vor allem beim Efeu oft unschöne Spuren. Empfehlenswert ist daher der Einsatz eines Rankgerüsts mit Abstand zur Fassade. Das schützt die Bausubstanz, erleichtert die Pflege und ermöglicht einen gezielten Rückschnitt.

Bei einer Grünfassade ist es ja nicht damit getan, sie anzubringen. Sie muss doch auch gepflegt werden?

Ja, und dieser Aufwand wird oft unterschätzt. Die Pflege ist entscheidend für die langfristige Funktionalität. Ohne regelmäßigen Rückschnitt verschlechtern sich die Pflanzenvitalität und das -wachstum, das Erscheinungsbild leidet und auch die ökologischen Vorteile gehen verloren. In der Planung muss berücksichtigt werden, wie zugänglich die Fassade ist und wie die Pflege organisiert wird. Kleine bodengebundene Flächen lassen sich einfach pflegen, auch Kübelpflanzungen oder Systeme auf Balkonen sind häufig einfacher in der Pflege. Wandgebundene Systeme dagegen benötigen oft Hebebühnen und Fachpersonal. Das ist natürlich auch ein Kostenfaktor.


Efeu als Fassadenbegrünung um einen Hauseingang

Fassadenbegrünung Kosten

Kosten effektiv planen, Förderprogramme gezielt nutzen: So gelingt die wirtschaftliche Umsetzung von Fassadenbegrünungen.

© Spiroview Inc. / stock.adobe.com


Wie sehen Sie die Zukunft der Fassadenbegrünung – sagen wir in 20 bis 30 Jahren?

Ich bin überzeugt, dass Fassadenbegrünungen bis dahin ein zentraler Bestandteil unserer Städte sein werden, eingebettet in eine weiterentwickelte blau-grüne Infrastruktur, also die gezielte Verbindung von Wasser- und Grünflächen. Auch bei den verwendeten Systemen wird es große Fortschritte geben. Wichtig ist, dass bei der Pflanzenauswahl stets auch die Biodiversität berücksichtigt wird. Ich bin zuversichtlich, dass bis dahin der Wert von Ökosystemleistungen gesellschaftlich und politisch verankert ist, sodass dies ein großer Treiber für die Umsetzung von Grün in unseren Städten sein wird.

SCHON GEWUSST?
An der Uni Stuttgart hat man im Rahmen eines Experiments mit Lampen, die die Kraft der Sonne an einem heißen Sommermittag nachahmen, zeigen können, dass eine Fassadenbegrünung gerade mal zehn Prozent des Lichts in den Innenraum lassen. Man spricht hier vom Energiedurchlassgrad. Das bedeutet: 90 Prozent des Lichts und damit auch der Wärme können nicht durch. So bleiben die Räume auch innen kühler.

Glauben Sie, dass auch Innenwandbegrünungen bis dahin eine größere Rolle spielen?

Möglicherweise, ja. Auch im Innenraum kann Begrünung das mentale und physische Wohlbefinden steigern. Im Winter kann die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit durch Pflanzen förderlich sein. Und nicht nur das: Pflanzen reduzieren auch den Lärm, indem sie den Schall “schlucken”. Das funktioniert übrigens auch außen. Fassadenbegrünungen können eine Stadt also auch leiser machen.

Wandgebundene Systeme, ob für innen oder für außen, sind bisher zumindest noch sehr teuer. Gibt es auch günstigere Lösungen für private Hausbesitzer?

Auf jeden Fall. In unserem Leitfaden geben wir Entscheidungshilfen für verschiedene Systeme, auch für kleine Flächen oder Balkone. [1] Wenn ein direkter Erdanschluss möglich ist, ist die bodengebundene Begrünung am einfachsten umzusetzen. Auch Kübel, zum Beispiel auf dem Balkon, sind eine Variante. Und wenn es rein um die Biodiversität geht: Hier hilft jede kleine Fläche mit einheimischen blühenden Pflanzen.

Was denken Sie: Sollte Fassadenbegrünung zur Pflicht bei Neubauten werden, so wie Solaranlagen?

Grundsätzlich wäre das begrüßenswert, vor allem bei Neubauten, da diese viele Ressourcen und zum Teil auch Naturflächen beanspruchen. Da ist ein Ausgleich sehr wichtig. Und auch im Zuge der Anpassung an die Klimawandelfolgen sollte Grün bei baulichen Neuplanungen von Anfang an mitgedacht werden.Aber es kommt darauf an, wie die Vorgaben gestaltet sind. Es reicht nicht, nur die Installation vorzuschreiben, denn Pflege, Bewässerung, ökologische Qualität und Langfristigkeit müssen mitgedacht werden. Ganz wichtig ist es dabei, auf einheimische Pflanzenarten zu setzen, statt exotische oder sehr künstlich gezüchtete Arten, mit denen unsere Tiere hier nichts anfangen können.

Was hat Sie persönlich an diesem Thema besonders gereizt?

Das Zusammenspiel aus Wissenschaft und Praxis in so einem zukunftsrelevanten Themenfeld. In einem bewährten System neue Ansätze zu entwickeln und Themen wie Klimaanpassung und Biodiversität sinnvoll zu verknüpfen, finde ich besonders spannend und vor allem auch sehr sinnvoll. Das wird bisher noch viel zu wenig gemacht, hier ist noch sehr viel Potenzial.



[1] Uni-stuttgart.de, https://www.iabp.uni-stuttgart.de/new_downloadgallery/Gruene_Strukturen/241211_komprimiert_Leitfaden-fuer-biodiversitaetsfoerdernde-Fassadenbegruenung_DIGITAL.pdf. Zugegriffen 14. August 2025.

Über unsere*n Autor*in
Simone Blaß
Simone studierte Germanistik, Psychologie und Soziologie und absolvierte danach ein Volontariat bei einem lokalen Fernsehsender. Nach Zwischenstationen beim Radio und in einer PR-Agentur arbeitete sie viele Jahre als freiberufliche Redakteurin für Online-Portale und Agenturen.