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Berufsbild Gartenbau

Experteninterview: Verbot von Steingärten

Margarethe Lohneis
Verfasst von Margarethe Lohneis
Zuletzt aktualisiert: 12. September 2024
Lesedauer: 9 Minuten
© RolandStollner - istockphoto.com

Das Thema Steingarten spaltet die deutschen Gartenbesitzer. Es herrschen die unterschiedlichsten  Meinungen über solche Kiesgärten – von der pflegeleichten Alternative über die starke Schädigung der Natur. In vielen Bundesländern und Gemeinden gibt es Initiativen gegen die Steinwüsten in den Vorgärten, sogar gesetzliche Verbote existieren. Gartenbau.org nimmt diese Problematik genauer unter die Lupe. Dafür haben wir einen Experten auf diesem Gebiet befragt.



Unser Experte

Unser Experte rund um das Thema Steingarten ist der staatlich geprüfte Gartenbautechniker Peter Albrecht von ‚Naturnaher Gartenbau‘ aus 58239 Schwerte. Er beschäftigt sich seit beinahe 20 Jahren mit den natürlichen Schottergärten.

Herr Albrecht, möchten Sie uns sich und Ihren Betrieb einmal kurz vorstellen?

Unser Ziel sind lebendige und natürliche Gärten, die in erster Linie dem Menschen dienen, aber natürlich auch der Natur. Wir sind ein Betrieb mit aktuell 5 Angestellten und wollen das auch so klein und übersichtlich behalten. Wir arbeiten ausschließlich für Privatkunden im Raum Schwerte und Hagen, bis zum Randbereich Dortmund.

Welche Leistungen bietet Ihr Betrieb im Allgemeinen an?

„Zunächst einmal erledigen wir alle üblichen landschaftsgärtnerischen Arbeiten.

  • Dabei geht es zuerst um die sogenannten harten Arbeiten und die Erdbewegungsarbeiten. Jeder, der ein Häuschen baut, kann sich vorstellen, was da so anfällt, zum Beispiel die Einfahrt zur Garage oder die Wege zum Haus. Wir bevorzugen dabei runde, harmonische Formen. Bei der Gestaltung der Terrasse setzen wir auf Naturstein. Alles soll stets versickerungsfähig sein.
  • Dann geht es an die sogenannten Vegetationsarbeiten. Das heißt: Anstatt eines Rasens versuchen wir dann nach Möglichkeit, wenigstens einen Blumenrasen anzulegen, der zwischen dem kurzschnittigen normalen Rasen und einer Blumenwiese vermittelt. Es ist oft schwierig, bei uns eine Blumenwiese zu etablieren. Denn unsere Böden sind dafür eigentlich zu mastig, das heißt, es sind zu viele Nährstoffe darin. Anders sieht das aus, wenn der Boden abgemagert wird. Das Mittelgebirge bietet eine gute Möglichkeit, nicht mehr mit den nährstoffreichen Böden zu arbeiten, sondern mit dem hier anfallenden Kalkstein.
  • Danach geht es an die Bepflanzung. Natürlich versuchen wir dafür heimische Wildpflanzen zu verwenden. Ob das Sträucher und Bäume sind oder die vielen Stauden und Gräser – alle sollen ökologisch etwas bieten für unsere Natur.“

Begriffsklärung Steingarten

Im Zusammenhang mit dem nährstoffarmen Boden fiel bereits der Begriff Kalkstein. Kalkstein ist ein alter Meeresboden des Ur-Meers, der sich über Millionen von Jahren abgelagert hat. Häufig befinden sich darin auch uralte, abgestorbene Lebewesen. Wir wollen nun die Frage klären, was Kalkstein mit den viel diskutierten Steingärten zu tun hat und herausfinden, was einen echten Steingarten überhaupt ausmacht.

Blühender Steingarten mit violetten, pinken und gelben Polsterstauden, Moosflächen und dekorativen Felsen in sonniger Hanglage.
© RolandStollner – istockphoto.com
Einen natürlichen Steingarten nach alpinem Vorbild können Sie sich auch in Ihrem Garten anlegen. Mit vegetationslosen, geschotterten Flächen hat dieser jedoch nichts zu tun.

Was ist ein Steingarten?

„Steingärten gibt es auf natürliche Weise von den Mittelgebirgen bis zu den Alpen. Sie besitzen nur eine sehr dünne Mutterboden-Schicht (= Oberboden, der in der Regel nährstoffreich ist) – nur etwa 2 bis 10 Zentimeter hoch. Unsere Böden dagegen haben eine Schicht etwa 30-40 Zentimeter Mutterboden. Das gibt es in den Steingärten nicht.

Von Natur aus sind solche Steingärten also nur mit einer sehr dünnen, nährstoffhaltigen Auflage versehen. Dann kommt schottriges Material, in dem kaum noch Mutterboden vorhanden ist und als nächstes kommt auch schon der nackte Fels. Genau das ist das, was ein wirklicher Steingarten ist.“

Können in einem natürlichen Steingarten Pflanzen wachsen?

„Ja, denn eigentlich ist es ja so: Unsere natürlichen Pflanzen Mitteleuropas bevorzugen eher trockene, magere Böden, als das, was wir Ihnen oft geben. Wir packen viele Nährstoffe in den Boden, obwohl die meisten Pflanzen das eigentlich gar nicht wollen. Nehmen wir als Beispiel drei bekannte Kräuter aus dem mediterranen Bereich: Salbei, Rosmarin und Thymian. Diese wachsen erst auf einem mageren, schottrigen Boden richtig gut.

Lavendel zum Beispiel steht hierzulande häufig auf viel zu nassem Boden. Was passiert, wenn Sie den Lavendel auf Schotter pflanzen? Dann werden Sie feststellen, dass die Pflanze so richtig knackig und dynamisch wächst. Das kommt dann auch dem entgegen, was der Kunde gerne hat – Pflegeleichtigkeit. Trockener und magerer Boden ist der Schlüssel für Artenvielfalt.“

Echte Steingärten vs. vegetationslose Schotterwüsten

Sollte man also differenzieren beim Thema Steingarten? Kann er sogar gut sein für die Natur, wenn man ihn dementsprechend gestaltet? Um das zu beantworten, muss sich jeder Gartenbesitzer über eines im Klaren sein: Der natürliche, echte Steingarten nach alpinem Vorbild hat nichts zu tun mit den zugeschütteten Schotterflächen, die der Natur schaden. Gegen diese vermeintlichen Steingärten finden sich viele Sachargumente, wie die Hitzeentwicklung und der Verlust der Lebensräume für Tiere.

Wann ist ein Steingarten gut für die Natur?

Die Differenzierung ist das wichtige und findet oft nicht statt. Denn man sollte sich immer fragen, was überhaupt ein Steingarten ist. Den echten Steingarten gibt es auch in der Natur, da wächst alles auf einem trockenen, mageren Boden. Wenn man zusätzlich noch Kalkstein hat, ist das klasse. Kalkstein ist alkalisch und nicht sauer.

Wie sehen falsch angelegte Steingärten aus?

„Das, was wir oft in angelegten Steingärten vorfinden, das schadet der Natur: Auf den nährstoffreichen Boden wird ein Vlies oder Geotextil aufgelegt. Das soll verhindern, dass die Pflanzen von unten nach oben durchwachsen. Auf das Vlies kommt dann eine 10-15 Zentimeter hohe Schicht oftmals exotischer Kieselsteine, die von den Gartenbesitzern rein nach optischen Kriterien ausgesucht werden. Das kann so nicht funktionieren für die Natur. Das sind künstliche Steingärten, die mit einem natürlichen Boden nichts mehr zu tun haben. Das ist ein Vortäuschen falscher Tatsachen. Dass diese Gärten ökologisch tot sind, ist offensichtlich. Das ist mit einem alpinen Steingarten nicht gemeint.“

Moderner Vorgarten mit Schotterfläche, vereinzelten Zierpflanzen und dekorativen Gehölzen vor einem weißen Einfamilienhaus.
© U. J. Alexander – istockphoto.com
Dieser Vorgarten ist ein Beispiel dafür, wie ein künstlicher, vegetationsarmer Steingarten aussieht – weit weg vom natürlichen Steingarten.

Trugschluss Pflegeleichtigkeit?

„Die Vliesschicht hindert Löwenzahn und Co. nicht daran, auf den Kies zu fallen, durch die Ritzen zu kommen und sich wunderbar zu entwickeln. Denn untendrunter findet er das, was er gerne hat: nährstoffhaltigen Boden. Das gilt auch für weitere Unkräuter, die ohne Probleme darin wachsen.“

Verbote von Steingärten

Dann stehen solche Steingärten also zurecht in der Kritik. Das sehen auch nicht nur ausgewiesene Garten- und Naturfreunde so. Es gibt sogar bereits per Gesetz offizielle Verbote von Steingärten, zum Beispiel in Baden-Württemberg.

Was sind die Hintergründe der Diskussion?

„Man muss ganz klar sagen: Das Thema Steingarten findet sich aktuell in einer kontrovers geführten Diskussion wieder. Doch darunter darf die Sachlichkeit nicht leiden. Der Landesverband Garten- und Landschaftsbau hat eine Untersuchung durchgeführt, um die Motivation der Gartenbesitzer zu hinterfragen, die sich die unnatürlichen Kiesgärten anlegen. Was steckt dahinter? Eigentlich wollen doch alle die Natur – aber keine Arbeit damit. Noch dazu sähen Steingärten ordentlich und modern aus. Doch nichts davon trifft bei den künstlichen Steingärten zu.

In ganzen Straßenzügen von Neubaugebieten finden sich fast identisch gestaltete Vorgärten: Kies, eine weiße Hortensie, ein Büchsbäumchen und das war´s. Das kann nicht sein. Die Stadt Dortmund beispielsweise hat alternative Musteranlagen nach dem Vorbild der nährstoffarmen Gärten angelegt und diese mit Stauden und Gräsern bepflanzt.“

Gibt es noch andere Initiativen?

„Städte und Gemeinden nehmen sich der Problematik an, zum Beispiel Heilbronn oder Bremen. Denn der Vorgarten zählt als Teil des öffentlichen Grüns. Solche toten Kieswüsten dürfen demnach nicht sein, das müsse geändert werden. Denn eine Stadt hat die Verpflichtung der Eingrünung und nicht der ‚Totmacherei‘, wie es mit den Kiesgärten passiert. Daraufhin haben einige Städte diese Steingärten als eine Art kostenpflichtiger Versiegelung definiert. Gibt es keine bürgerliche Einsicht, dann kann es zu Verboten wie in Baden-Württemberg kommen.

Auch der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) hat eine Initiative zur Aufklärung ins Leben gerufen: ‚Rettet die Vorgärten‘. Diese richtet sich an Entscheidungsträger wie Kommunen und Hausverwalter und soll die Sinnhaftigkeit von Schottergärten hinterfragen.“

Kalkstein, Pflanzen, Holz: Steingarten richtig anlegen

Nun drängt sich die Frage auf, wie Sie einen pflegeleichten Steingarten richtig anlegen können, sodass er der Natur nicht schadet – ihr am Ende sogar entgegenkommt.

Wie legen Sie einen natürlichen Steingarten an?

„Dort wo ich meine Blumenwiese oder meinen Vorgarten anlegen möchte, da nehme ich den Kalksteinschotter und nicht den Mutterboden – je dicker, desto besser – mindestens 15 Zentimeter. In diesem Kalksteinschotter haben Unkräuter keine Chance. Darin können Sie außerdem schön modulieren, zum Beispiel mit ein bisschen Felsen oder ein paar Wurzeln in Form von liegendem und stehendem Holz. Damit wären wir auch wieder bei dem Gedanken an den Naturschutz.

Denn Totholz und Baumstämmchen sind die Lebensgrundlage für viele Tiere. Ein paar schöne alte Wurzeln gestalten außerdem eine nette Landschaft mit etwas Bewegung.

Und dann kommen die Pflanzen als Wichtigstes. Da passen natürlich viele von den Insektenpflanzen, die wir der Natur zuliebe favorisieren. Die wachsen da richtig gut, werden auch älter und wachsen nicht überdynamisch. Bekannte Pflanzen sind: Lavendel, Rosmarin, Salbei, Wiesenflockenblumen und die Vielfalt der Trockenrasenblumen. Davon gibt es reichlich. Die blühen dann sogar von Frühjahr bis Spätherbst.“

Blühender Lavendel in einem sonnigen Steingarten, daneben ein weißer Krug mit frisch geschnittenen Lavendelblüten.
© Kotkoa – istockphoto.com
Lavendel wächst auf schottrigen Böden besonders gut. Für einen Steingarten eignen sich auch Rosmarin, die Wiesenflockenblume oder sämtliche Trockenrasenblumen.


Fazit unseres Experten

„Mein großes Anliegen ist es, dass wir den Garten wieder wertschätzen und uns den Garten zum Freund machen. Das versuche ich auch meinen Kunden zu vermitteln: Natur direkt vor der Haustür. Mit einer Vernetzung von Privatgärten kann man viel erreichen. Der Steingarten ist der, der auf ganz wenig nährstoffhaltigen Boden in der Natur vorhanden ist. Ein echter Steingarten ist wirklich pflegeleicht. Eigentlich ist das der moderne, pflegeleichte Garten und nicht das, was andere Leute mit Vliesschichten und Schotter erreichen wollen.“

Über unseren Experten Peter Albrecht

Logo des Gartenbaubetriebs Peter Albrecht, Naturnaher Gartenbau Hagen.

Die Expertentipps zum Thema „Verbot von Steingärten“ stammen von Peter Albrecht. Er ist Inhaber des Betriebs Naturnaher Gartenbau aus Schwerte/Hagen.

Hier finden Sie das Firmen-Profil von Naturnaher Gartenbau Hagen / Schwerte.

Über unsere*n Autor*in
Margarethe Lohneis
Margarethe studierte Germanistik, Soziologie und Politikwissenschaft. Sie sammelte bereits Erfahrungen bei einem Publikumsverlag sowie in der Leseförderung und schrieb für eine Literatur-Zeitschrift. Aktuell befindet sie sich im Masterstudium und arbeitet als Werkstudentin in der Online-Redaktion.